Angststörung - warum jetzt?

 


Wenn ich auf bestimmte Menschen treffe, dann fühle ich manchmal sofort, dass mir dieser Mensch gefährlich werden könnte. Nicht in dem Sinne gefährlich, wie ihr jetzt vielleicht denkt. Ich werde nicht überfallen, ausgeraubt oder bedroht. Nein, es ist eine Gefahr, die mir seit Jahren in den Knochen steckt. 

Und ich fühle dann mit meinen feinen Antennen, dass ich in Gefahr bin, dass mir dieser Mensch auf eine verletzende Weise  gefährlich werden kann. Ich weiß nicht, ob der eine oder andere von euch ebenso ein Gefühl dafür entwickeln musste. Für mich war dieses Erkennen und Sortieren von Menschen lebenswichtig, so sagt es mir mein Gehirn. Dabei knüpfe ich an den Blog-Eintrag von neulich an. Sowohl die kleine Grundschul-Lisa als auch die ältere Teenager-Lisa wurde über Jahre hinweg von Kindern, Mitschülern oder auch älteren Kindern gemobbt. Wirklich körperlich und seelisch tief verletzt.

Unbewusst schaut man sich die Menschen an, studiert irgendwie die Art, den Charakter, das Auftreten. Dinge brennen sich ins Gedächtnis, geraten vielleicht in Vergessenheit, um irgendwann wieder nach oben zu sprudeln. Jahre später, wenn man schon lange nicht mehr an die schlimmen Momente gedacht hat. Als Erwachsener. Und plötzlich begegnet man solch einem Chrakater oder einem Schlüsselmoment oder auch nur einem vagen Gefühl von all dem und es passiert. Alles kommt wieder hoch geschwappt. Jedes Gefühl, jede Erinnerung, die Angst und die Hilflosigkeit, nur das man jetzt nicht 6 Jahre alt ist oder 14 Jahre alt oder 16 Jahre alt, nein man ist 35 Jahre alt und weiß gar nicht, wo all diese Dinge geschlummert haben, wieso ausgerechnet jetzt alles ans Tageslicht kommen will und wohin mit all den Gefühlen, all der Angst.

Ich bin angespannt, mein Rücken schmerzt seit Wochen, von den Halswirbeln zieht sich die Verspannung bis in die Schultern und tiefer bis hin zum mittleren Rücken. Mein Kiefer schmerzt, da ich nachts und nun auch tags die Zähne aufeinander presse in all meiner Anspannung. Mein Gesicht schmerzt, ich schwitze interwallmäßig als seien es 40 Grad Celsius und mehr. Nach der Arbeit sind meine Socken durchgeschwitzt, die Achseln nass, der Kopf leer. Ich schaffe momentan mehr schlecht als recht meinen Tag, fühle mich wie eine tickende Zeitbombe, nur dass ich nicht ausraste im üblichen Sinne, sondern fürchte plötzlich loszuheulen oder irgendwas anderes in der Art. 

Mein Herz brennt und sticht, es gibt Tage, da fühlt es sich an, als zieht es sich ganz fest zusammen, so dass ich kaum atmen kann. Innerhalb weniger Tage wuchsen die Nervosität und die Anspannung ins Unermessliche. Es war Wochenende und wurde einfach nicht besser. Ich dachte mir, ich brauche noch 2-3 Tage zuhause, so kann ich nicht an die Arbeit gehen. Durch die Angst und die Anspannung bin ich so abgelenkt, dass mir Fehler passieren. Und dann beginnt der Teufelskreis. Durch die Konzentrationsfehler bekomme ich mehr Angst, dass ich meinen Job verliere, dass die Kollegen sich beschweren, dass ich Ärger bekomme. Vor allem aber habe ich Angst, dass über mich gelästert wird, dass man mich los werden möchte und das die anderen gemein zu mir sind. 

Ich möchte gern alles richtig machen, ich möchte gern gut gelaunt und freundlich sein, ich möchte, dass alle sich auf mich verlassen können und was die kleine Lisa einfach schon immer wollte und weiterhin möchte ist, dazu gehören. ankommen, loslassen. Ich habe keine Kraft mehr zu kämpfen, zu beweisen. Ich kann es momentan einfach nicht. Also habe ich meinen Arzt angerufen und um eine Krankmeldung gebeten, ich habe erzählt ich habe Magen – und Darmgrippe. 

Nach dem Anruf ging es mir noch schlechter, ich habe nicht die Wahrheit gesagt, ich hatte nun noch mehr Angst und Sorgen und habe mir Vorwürfe gemacht. Also habe ich ein weiteres Mal angerufen und um einen Termin gebeten. Am nächsten Tag durfte ich schon vorbei kommen. Ich nahm all meinen Mut zusammen und erzählte der Ärztin von meinen Problemen, meiner Angst und meinen Schmerzen. Ich hatte so Angst davor, abgestempelt zu werden, dass sie denken würde entweder habe ich einen an der Klatsche oder sei einfach nur faul weil ich keine Lust auf Arbeit habe. Aber sie war toll. Sie hörte mir bis zu Ende zu und ging anschließend so gut es eben ging auf mich ein.

 Ich konnte nach diesem Tag einige Zentner leichter nach Hause fahren. Es war sehr heilsam, mich jemandem öffnen zu können und dann auch noch angehört und unterstützt zu werden. Die Ärztin nahm mich einige Tage aus der Arbeit raus und riet mir dazu raus zugehen und mich nicht zu verstecken, auch wenn ich das momentan am allerliebsten tun würde. Da ich vor einigen Jahren bereits eine Therapie angefangen hatte, riet sie mir dazu, nachzuschauen, ob bei den erarbeiteten Themen etwas Hilfreiches für mich dabei sein könnte. Leider ist das nicht der Fall, weil ich damals fast nie mitgeschrieben habe und sobald es mir etwas besser ging, blöderweise meine Therapie abgebrochen habe. Weiterhin gab sie mir noch einen Zettel mit Webadressen für Informationsmaterial zum Download mit. Wer also Unterstützung oder erste Infos benötigt kann gerne bei google KBV und Angststörung eingeben und bekommt schon Infomaterial und Links zu Selbsthilfegruppen. Außerdem habe ich eine Buchempfehlung erhalten „Verhaltenstherapie für Dummies“, heute habe ich mal bei Amazon geschaut und dieses Buch auf meinen Wunschzettel gesetzt. 

Ja, es geht mir etwas besser als noch vor 2 Tagen. Doch sobald ich an die Arbeit denke, bekomme ich Herzklopfen und das Gefühl schlecht Luft zu bekommen. Ich fürchte mich davor, nächste Woche wieder an die Arbeit zu gehen. Was soll ich sagen, wenn alle fragen, was ich denn eigentlich hatte. Ich glaube, wenn ich ehrlich sage, was mein Problem ist, dann wird es viel Gerede geben. Aber vielleicht gibt es das sowieso, weil einige Kollegen denken könnten ich hätte einfach mal Lust blau zu machen. Ich weiß noch nicht, wie ich damit umgehen soll. Wenn ich eine Therapie machen kann, was sicherlich noch sehr lange dauern wird, dann müsste ich mir dafür sowieso Zeit frei schaufeln, spätestens dann müsste ich was sagen.

Ich habe Angst, dass meine Ehrlichkeit gegen mich verwendet wird. Es wäre nicht das erste Mal in meinem Leben. Auf der anderen Seite denke ich ab und zu, ich habe doch nichts zu verlieren, außer einen Platz, an dem ich momentan eh nicht wohl fühle. Doch wenn man erwachsen ist, ist es nicht so einfach in den Sack zu hauen. Ich habe ein Haus gekauft, ich habe Verantwortung und kann es mir nicht leisten arbeitslos zu werden. Andererseits habe ich nur diese eine Gesundheit und dieses eine Leben. 

Es gäbe die Möglichkeit, zumindest einen Tag in einem anderen Unternehmen zu arbeiten. Doch dafür müsste ich Stunden bei meinem jetzigen Arbeitgeber reduzieren, vielleicht lässt er mich gar nicht reduzieren. Vielleicht bin ich der anderen Stelle auch gar nicht gewachsen. Vielleicht wird es nach meiner Bitte schlimmer. Auf der anderen Seite, kann es doch nicht so bleiben, wie es jetzt ist. Und egal wen ich dazu frage, jeder sagt mir etwas anderes. 

Ich weiß nicht, was ich machen soll. Ich möchte nur einen Tag mal abschalten, mal keine Sorgen haben über „was wäre wenn“. Ich denke, manchmal auch, dass ich eigentlich nichts zu jammern habe, dass es mir gut gehen sollte und das es anderen Menschen teilweise viel schlechter geht und ich weiß, dass ich keine sichtbare Verletzung habe und das mir auch niemand droht oder mich verletzt. Ich habe einfach diese Angst und die kann man nicht sehen und nicht greifen und genau aus diesem Grund geht es mir noch viel schlechter. Genau wie damals mit der Depression. Man kann es selten erklären und trifft noch seltener auf Verständnis.  Ich weiß noch nicht wie es weiter gehen wird. Was ich unternehmen kann und werde, damit es mir besser geht. Was aus meinem Arbeitsplatz wird, ob ich ehrlich bin oder nicht.

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