Erinnerungen

 Diesen Betrag habe ich bereits im Juli 2018 verfasst. Aber ihn bisher nie hochgeladen. Ich denke, es liegt daran, weil es wieder ein sehr persönlicher Beitrag ist. Es war ein sehr langer Prozess des Loslassens, der Veränderung und des Wachsens. Manche Dinge brauchen eben Zeit. Ich bin ein Mensch, der nicht gut auf Dinge warten kann, der schnell Ergebnisse haben möchte. Doch manchmal hat man eben keinen Einfluss darauf, wie lange etwas braucht. 




Erinnerungen suchen mich seit einigen Tagen und Wochen heim. Hauptsächlich die schönen Erinnerungen. Jetzt, wo ich wieder in meinem Heimatort wohne, in dem ich aufgewachsen bin, gibt es keinen Baum, keine Wiese, keine Bank, an der nicht irgendwelche Erinnerungen haften. Gute genau wie schlechte und schmerzhafte. Mein Herz zieht sich zusammen, wenn ich daran denke, wie sehr sich alles verändert hat. Wie viele Freundschaften zerbrochen sind, weil sich alles und jeder irgendwann aus den Augen verliert. Und natürlich meine erste große Liebe.

Ich war etwa 18, als wir uns in der Fahrschule kennen lernten. Natürlich habe ich ihn vorher schon gesehen. Mit 13 oder 14 Jahren bei den Tanzstunden in einem Saal einer Gaststätte, später im Pausenhof als ich mein Fachabi machte und dann kam es, das wir zusammen Fahrschule hatten. Und wie das Schicksal nun so spielt, hatten wir auch die eine oder andere praktische Fahrstunde direkt hintereinander, so dass ich ihn mal mit dem Fahrschulauto zuhause abholte oder er mich. Nie könnte ich auf jemanden fremden zugehen und sagen, was ich empfinde, vor allem nicht, wenn es um so starke Gefühle geht. Es war für mich immer Liebe auf den ersten Blick. Nun bin ich 33 Jahre alt. Seit ich 25 bin, sind wir nicht mehr zusammen. Aber ich habe nie wieder so empfunden wie damals. Ich habe nie wieder so sehr geliebt. Vielleicht ist es das, was der ersten Liebe anhaftet. Es gibt nichts Vergleichbares. Natürlich liebt man später auch. Aber nicht so. Bei uns war alles intensiv. Jeder Streit, jeder Sex, jeder Tag.

Dann war plötzlich Ende. Jeder ging in eine andere Richtung und das auch noch in unterschiedlichem Tempo. Ich habe ihn immer geliebt. Selbst bei der Trennung, selbst danach und selbst noch viele Jahre später. Dabei habe ich Schluss gemacht. Das ist seltsam oder? Aber nicht, für die, die uns kennen oder besser kannten. Ich wollte irgendwann mehr, erwachsen werden, planen und viele Dinge hinter uns lassen. Er nicht. Ich sah keinen Weg und keine Zukunft mehr zu zweit. Anfangs reichte mir die Zeit mit ihm und das Hier und Jetzt. Dann irgendwann wollte ich, dass er sich für mich und meinen Weg entscheidet.  Ich habe ihn nicht gefragt, wie es ihm geht, warum er die Dinge tut die er tut und was ich tun kann um ihm zu helfen. Zurückblickend glaube ich, ich habe nur mich gesehen. Ich wollte seine Liebe, ich wollte bestimmen, wie unser Leben aussieht. Ich hatte mir ein Bild von ihm zurechtgelegt und nur auf meine Bedürfnisse geachtet. Ich wollte nur, dass er funktioniert, wie ich mir das vorstellte. Wir waren fast noch Kinder. Heute wäre es vielleicht anders. Aber vielleicht auch nicht.

Nach unserer Trennung ging es mir schlecht. Ich aß nicht mehr, ich lachte nicht mehr, ich fühlte mich einsam wie noch nie in meinem Leben. Nichts und niemand konnte diese Lücke füllen. Und je mehr ich nach Halt suchte, desto schlimmer wurde es. Ich glaube hier nahm die Depression ihren Anfang.Ich wog nur noch 48 Kilogramm, ich ging jeden Tag laufen, denn nur dann fühlte ich mich gut. Aber es hielt nicht lange an. Durch die optische Veränderung erhielt ich von anderen Männern  Bestätigung. Das tat gut und schien mir wichtig. Ich habe das Gefühl, ich habe mich schon immer angepasst, um zu gefallen. Doch als ich dann allein war, hab ich mich komplett verloren. Ich wusste einfach nicht wer ich bin, was ich will und was ich mag und was nicht. Ich hatte einfach kein Gefühl mehr zu mir selbst. 

Freunde konnten mir nicht helfen, die Familie nicht. Niemand schien zu verstehen, welchen Schmerz ich fühle. Und die Gefühle wurde schlimmer, Trauer, Angst, Verzweiflung, Hilflosigkeit. Ich fiel, fiel und fiel immer tiefer. Mit ein paar Mädels ging ich an den Wochenenden feiern, betrank mich bis mein Gehirn aussetzte. Ich weiß von dieser Zeit nicht mehr viel. Meine Bekannte packte immer mal die eine oder andere Story raus, die sie lustig fand. Für mich ist es so, als sei ich nicht dabei gewesen. Die Zeit ist komplett weg aus meiner Erinnerung.

Tagsüber saß ich draußen und starrte in den Himmel und fragte mich, wie das Leben weiter geht. Ob ich jemals wieder lieben werde oder jemals wieder geliebt werde. Ich wollte ihn unbedingt zurück, das schreckliche Gefühl sollte endlich verschwinden. Ich schaffe es nicht, in Worte zu fassen, wie ich mich gefühlt habe, 4 Jahre lang. Ich dachte immer ihm ist es egal. Ich weiß heute nicht, wie er sich damals gefühlt hat. Es ist auch lange her. Wir sprachen nie darüber.

Nächtelang träumte ich von ihm. Schweißgebadet bin ich aufgewacht, nur um in den nächsten Heulkrampf zu verfallen. 7 Jahre war er meine Liebe, mein bester Freund, meine Familie. Alles was ich hatte und wollte. Dann plötzlich war ich allein.


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