Wenn ich an meine Kindheit denke, dann kommen nicht die schönsten Erinnerungen auf, sondern nur traurige, schlechte, negative.
Momentan kommen diese Gedanken einfach so, bei ganz alltäglichen Dingen wie dem Weg zur Arbeit, beim Gassi gehen oder beim Staubsaugen der Wohnung. Ich kann nicht erklären, warum genau jetzt so viele Dinge an die Oberfläche wollen, von denen ich gar nicht mehr wusste, dass existieren - in meinem Unterbewusstsein schlafen. Ich weiß nicht, was ich mit diesen Erinnerungen anfangen soll, wenn sie aufkommen. Ich weiß nicht was sie mir sagen wollen nach all den Jahren. Wahrscheinlich, dass es eine Wunde zu schließen gibt. Schließlich nehme ich seit 2 Monaten auch wieder Antidepressiva, weil es mir nicht so gut ging.
Ich hatte noch gehofft, die damalige Depression wäre einfach eine Verkettung zu vieler Umstände gewesen und würde danach nicht wieder kommen. Leider war es aber anders.
Ich merke, dass ich oft nicht weiß wohin mit meinen Gefühlen. Aber die meiste Zeit laufe ich umher und fühle mich wie eine Hülle, ohne Gefühle, ohne Ziele ohne Sinn. Grad fühle ich nichts. Ich versuche in letzter Zeit oft in mich hinein zu hören und etwas zu finden, aber ich bekomme dann keinen Zugang zu meinem Ich. Es ist als wäre da eine Mauer oder einfach nichts. Manchmal frage ich mich, ob ich ein Psychopath bin, weil ich zwar weiß, welche Emotionen von mir in bestimmten Situationen angebracht sind, ich kann auch reagieren, aber nicht immer fühle ich das, was ich nach außen zeige.
Aber darüber wollte ich heute gar nicht schreiben, sondern wie zu Beginn erwähnt, ist es meine Kindheit, die immer wieder an die Oberfläche will. Dazu habe ich mir nun auf Empfehlung von Bekannten und auch Arbeitskolleginnen ein Buch gekauft, mit dem Titel „Das Kind in dir muss Heimat finden“. Heute habe ich mal wieder ein Kapitel gelesen und eine Übung, die dort gestellt wurde erfüllt. Ich sollte mich in eine Situation einfinden, in der ich als Kind unglücklich war und dann mein Kleines Ich trösten. Ihm erklären, dass es nichts dafür kann. Ich habe mich so gut einfinden können, dass ich tatsächlich so viel gefühlt habe, dass ich dicke Tränen geweint habe.
Als Kind war es sehr schwer für mich, das sehe ich erst jetzt. Viele Eigenschaften von meinem heutigen Ich resultieren aus meiner Vergangenheit. Natürlich klingt das mehr als logisch, aber es ist verrückt, wenn man das am eigenen Leib spürt und sich wirklich vor Augen hält. Zuhause war es immer laut, meine Eltern haben oft gestritten. Aber eigentlich konnte meine Mutter nichts dafür, sie konnte es meinem narzistischem Vater einfach so gut wie nie recht machen. Er hat immer rum gebrüllt. Wenn das Essen nicht gut genug war, wenn mit uns Kindern irgendwas war, wenn meine Mutter nur eine falsche Bewegung gemacht hat oder irgendwas gesagt hat, was ihm nicht passt. Es durfte niemand widersprechen. Mein Vater war das Familienoberhaupt. Er bestimmte über uns alle. Ich rede in der vergangenheitsform nicht weil er tot ist, sondern weil er absolut meine Liebe und meinen Respekt verloren hat. Er gängelt und gängelte meine Mutter das ganze Leben lang. Das tut er noch. Als Kind hat mich das so sehr belastet. Ich habe die Streitereien gehasst. Dazu kam, dass er ständig betrunken war, das war für mich das Widerlichste auf der Welt. Das ist es noch heute. Es ist nicht so, als hätte er nicht versucht, auf seine Weise irgendwie ein Vater zu sein. Aber das reicht mir nicht. Es dreht sich alles um Ihn. Immer. Als gäbe es nichts und niemand anderen auf der Welt. Und das hat mir viele Jahre weh getan. Ich musste immer allein mit allem fertig werden und allein zurecht kommen. Schon als kleines Kind. Zuhause war es kein schöner Ort. Bei schlechten Noten wurde ich angeschrien und geschimpft, aber mit mir gelernt und mir geholfen hat niemand. Wenn Unser Vater nicht mit unserer Mutter schimpfte, dann mit einem von uns oder er saß im Keller und hat gesoffen. Ich denke es ist seine Schuld, dass ich heute keine eigene Meinung habe, zu gar nichts. Weil ich früher keine eigene Meinung haben durfte. Ich wurde nicht unterstützt sondern hatte mich unter zu ordnen. Bei vier Kindern geht man dann irgendwann unter und ist auch froh, wenn man nicht mehr auffällt. Zuhause war es also schlimm. Aber in der Schule auch. Dazu habe ich ja erst vor kurzem einen Beitrag verfasst. Ich wurde sehr schlimm gemobbt, körperlich und auch seelisch. Und ich hatte lange Zeit niemanden. Ich fühlte mich nirgendwo geborgen und sicher. Dazu kommt, dass es in unsere Familie keine körperliche, emotionale Wärme gab. Ich wurde nicht in den Arm genommen und es wurde nicht gekuschelt. Nicht das ich mich daran erinnern könnte. Auch mit unserer Mutter nicht. Es wurde nicht gesagt „ich liebe dich“ zu uns Kindern, es gab keine Küsschen. Es wurde nicht gefragt, wie es uns geht, was uns beschäftigt. Eigentlich waren wir Kinder zwar da. Aber an unserem Leben haben unsere Eltern nicht teilgenommen. Ich denke mein Vater ist einfach ein egoistischer Arsch. Klar, vielleicht kann er nichts dafür, weil seine eigene Kindheit nicht so toll war. Aber mich macht es grad einfach nur wütend, dass all das mein Leben so versaut hat. Ich habe so viele Ängste, so oft sehe ich die Realität verdreht, und erwarte von allen Menschen nur das Schlechteste, weil nie jemand für mich da war. Ich fühle mich emotional verkümmert, kann oft heute nicht mit sozialen Kontakten umgehen. Ich analysiere alles, weiß nicht wie ich mich verhalten soll und finde alles so anstrengend, dass ich am liebsten allein bin. Und meine Mutter war einfach passiv, sie lehnte sich nicht auf, ließ alles über sich und über uns ergehen. Konnte nicht liebevoll für uns da sein, zumindest nicht für mich. Ich beneidete viele meiner Freundinnen für ihre liebevollen Eltern und dachte immer es liegt an mir, dass es in meiner Familie nicht so ist. Aber ich, das kleine Kind von damals, konnte einfach nichts dafür. Wenn ich heute wüsste, mein Kind würde so aufwachsen wie ich, ich würde keines bekommen. So viel, Angst, Schmerz, Trauer, Einsamkeit und irgendwann auch Wut kann man keinem kleinen Kind zumuten.Das Aufarbeiten hat mit dem Buch begonnen. Eine Therapie beantrage ich grade. Nun habe ich die Hoffnung, zumindest irgendwann ein bisschen unbeschwerter und freier durch das Leben zu gehen. Das kleine Kind in mir irgendwann in den Arm zu nehmen und die erwachsene Frau das Steuer übernehmen zu lassen.
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